Die Zukunft des Planeten – gemeinsam oder gar nicht

Plädoyer für einen Führungsanspruch des Weltzentrismus’

 

Wir leben in der besten aller Welten. Immer mehr erschwingliche Produkte erleichtern das Leben von immer mehr Menschen. Weltweit leben immer weniger Menschen in absoluter Armut. Das Leben wird im Schnitt immer komfortabler und bequemer. Wir Menschen sind mit stetig steigenden Möglichkeiten konfrontiert. Das ist Segen und Fluch zugleich: Mit der Anzahl der Möglichkeiten steigen auch die Ansprüche. Mit einem egozentrischen Mindset wirkt der Zuwachs an Komfort und Lebensstandard nur kurzfristig glückbringend. Rasch stellt sich Frust ein. Die Erwartung dass es immer so weiter geht, wird mit der zunehmenden Ressourcenknappheit prompt enttäuscht – nicht trotz sondern aufgrund immer mehr sofort lieferbarer Produkte. Hinzu kommt der Konsum alarmierender Nachrichten. Zwar geschehen weniger Verbrechen und Grausamkeiten als früher, jedoch reagieren wir reizüberlasteten Menschen fast nur noch auf Schreckensmeldungen. Medienanbieter müssen sich diesem Bedürfnis anpassen, um Medienkonsumenten zu erreichen. Das betrifft professionelle Nachrichtensender ebenso wie Privatpersonen, die etwa bei Facebook in der Timeline ihrer Freunde präsent bleiben möchten. Der moderne Mensch als reizüberflutetes Wesen kann sich nicht mehr natürlich, sondern nur noch künstlich stabilisieren. Diese Aufgabe sollen dann überpersönliche Institutionen übernehmen, was sie naturgemäß nur leidlich zu meistern in der Lage sind.

 

 

„Unsere Gesellschaften stehen an einem Wendepunkt. Globalisierung und Modernisierung haben nicht zu einer einheitlicheren Welt geführt, sie ist im Gegenteil wieder stärker segmentiert. Neue Zentren und andere Peripherien sind entstanden, mit Megastädten und unproduktiven Wüsten, mit abgeschotteten Parallelwelten und radikalen Auf- und Umbrüchen, mit Übersprungseffekten des rein ökonomischen Denkens auf alle Lebensbereiche.“ Klaus-Dieter Lehmann (Präsident des Goethe-Instituts)

 

Die Demokratie hat es dieser Tage nicht leicht. Politiker und Medien stehen bei mindestens einem Viertel unserer Mitbürger unter Generalverdacht von unedlen Motiven getrieben zu werden. Verwaltungs- und Staatsorgane einschließlich Bundestag und Wahlmodalitäten werden wenigstens als dringend reformbedürftig, mitunter als grundweg falsch angesehen. Es spielt keine Rolle, wer Recht hat und wer die Schuld an diesem Vertrauensverlust trägt. Eine Spaltung der Gesellschaft kann in niemandem Interesse liegen. Der Bewohner einer Gesellschaft mit hohem Lebensstandard sind dauergereizt: Die Möglichkeit, jederzeit seinen Bedarf auch für kleines Geld zu decken, jederzeit einem Impuls nachzugehen, birgt den Stress, dies auch tun zu müssen. Je mehr theoretische Handlungsmöglichkeiten wir haben, desto ungeduldiger und gereizter reagieren wir auf Ohnmachtsanflüge. Frust ist vorprogrammiert und manifestiert sich in Feindbildprojektionen. Politiker und Medien sind dabei willkommene Folien, lassen sie sich doch herrlich einfach zitieren und zum faktoiden Beweis für die Feindbildkreation in Echtzeit auf Social Media Kanälen teilen. Jede noch so kleine Unplausibilität einer politischen Entscheidung oder auch nur Äußerung kann als Bestätigung für Verschwörungsunterstellungen gelesen werden. Der Mensch hat einen immer größeren Wirkungskreis (Digitalisierung, ökologischer Fußabdruck), versteht aber die immer komplexer werdenden Zusammenhänge nicht mehr und reimt sich zusammen, was das eigene Vorurteil bestätigt. Das entlastet von Verantwortung, differenziertem Denken und dem Dialog mit Andersdenkenden. 

Jede Reichweite des Verantwortungsbewusstseins hat seine Berechtigung. Politische und gesellschaftliche Konflikte entstehen, wenn insbesondere ethnozentrische mit weltzentrischen Weltanschauungen aufeinandertreffen. Von der ethnozentrischen Sicht kann man nicht erwarten, dass sie die Weltzentrische versteht, genauso wenig wie die Ethnozentrische vom Egozentrischen Verständnis erwarten kann. Es liegt also in der Verantwortung weltzentrisch denkender Menschen, ego- vor allem jedoch ethnozentrisch denkende Menschen zu integrieren. Die Führung für die Welt kann bei den globalen Herausforderungen wie dem Einfluss des menschlichen Ressourcenkonsums auf die Verfassung unseres Planeten sowie des grenzüberschreitenden Daten-, Geld- und Warenverkehrs jedoch nur weltzentrisch denkenden Menschen überlassen werden. Genau beides gleichermaßen zu gewährleisten, darin liegt die schwierige wie notwendige Herausforderung unserer Zeit. „Das Kernproblem ist nicht die Globalisierung der Wirtschaft – wie es viele bis heute sehen –, sondern die Nicht-Globalisierung der Politik.“ – wie Inspirator für soziale Innovationen Peter Spiegel konstatiert. Wenn Staaten wie Myanmar, Buthan oder Papua Neuguinea ethnozentrisch regiert werden, kann das der Planet (noch) verkraften – nicht jedoch wenn die USA, China, Russland, Brasilien oder Deutschland dies tun. „Es ist eine riesige diplomatische Herausforderung, stolze und nostalgische Nationen mit einer langen Tradition der Gewalt, die mit dem Verlust ihres Einflusses auf den Weltmarkt konfrontiert sind, davon abzuhalten, andere anzugreifen. Wir müssen dem alten Westen dabei helfen, einen neuen Weg zu finden, sich friedlich in die neue Welt einzufügen“ – so der Schwede Hans Rosling. „Bei allem Respekt und aller Wertschätzung, die ich den nationalen Interessen, nationalen Besonderheiten und nationalen Kulturen zolle, wäre ich glücklich, wenn uns allen und jedem Einzelnen von uns in der heutigen Welt, die immer globalisierter wird, eines bewusst würde: Wir leben alle auf einem Planeten! Wir sind eine Menschheit.“  (Michail Gorbatschow)

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