Du siehst die Welt, wie du bist – woke oder unwoke, das ist keine sinnvolle Frage

Anais Nin: Wir sehen die Dinge nicht so wie sie sind, sondern so wie wir sind.

 

„Ich sehe Woke-People“

 

„Woke“ ist ein Etikett, das immer nur von Außen aufgeklebt wird. Niemand bezeichnet sich selbst als „woke“. Als „Woke-People“ tituliert man gesellschaftspolitisch aktive Menschen, die nicht (nur) erkennbar Eigeninteressen verfolgen, sondern sich um den Zustand unseres Planeten, das Wohl von Tieren, bedrohte Arten und indigene Völker sorgen und/oder Belange von (angeblich) diskriminierten Minderheiten und Geschlechtern vertreten. Wer Woke-People sieht, kritisiert deren Verhaltens in der Regel als irregeleitet oder von Pseudo-Motiven getrieben, hinter denen eigentlich egozentrische Interessen steckten: sich wichtig machen, Neid und traumatische Verletzungen hinter einer Gutmenschenfassade tarnen, Fördergelder und Jobs innerhalb einer „staatlich alimentierten Linksgrünindustrie“ ergattern, weil man für richtige Arbeit auf natürlichen Kundenmärkten entweder zu dumm, zu faul oder zu verweichlicht sei.

 

Jeder kann die „Ich sehe Woke-People“-Brille jederzeit auf- und wieder absetzen. 

Alter weißer Mann

„Ich sehe unfähige Politiker, die Deutschland ruinieren“

 

Sehr beliebt ist die Brille, mit der wir regierende Politiker be- bzw. abwerten. Diese Brille liefert uns Gründe für alles, was uns im Leben stört: steigende Kraftsstoff- und Lebensmittelpreise, existierende bzw. nichtexistierende Corona-Regeln, bürokratischer Papierkram, die Datenschutzgrundverordnung, Überflutungen und Stürme, Straßensperren, Dauerbaustellen, Handwerker- und Lehrermangel, Zugverspätungen und -ausfälle, Jobangebote nur noch bei Zeitarbeitsfirmen, Ukrainekrieg. „Die Medien finden zwar immer andere Gründe, doch die lügen ja sowieso.“ Diese Brille hält uns im Kleine-Welt-Syndrom, unsere Mitverantwortung interessiert uns nicht. Diverse YouTuber, selbst ernannte Alternativmedien und ein florierender Selfpublisher-Buchmarkt helfen uns dabei, uns in diese Brille zu verlieben. Manche Helferlein machen aus dem Verkauf dieser Brille ein einträgliches Geschäft. Einer von vielen heißt Markus Krall.

 

Schlauer Vogel

 

„Ich sehe Nazis und Faschisten“

 

Das Tragen von Brillen führt dazu, dass wir die Brille nicht mehr wahrnehmen und uns einbilden, wir sehen Realität, Wirklichkeit und Wahrheit ungefiltert, ungefärbt und statt selektiv mit dem allsehenden Auge Gottes. Unsere Brille sehen wir nicht und die Brille anderer betrachten wir gerne als Teil ihrer Identität, als fest angewachsenes Körperteil. Wenn Träger der beiden zuerst beschriebenen Brillen auf Träger der „Ich sehe Nazis und Faschisten“-Brille treffen, fühlen sie sich bestätigt und Vice versa. Das „Nazis und Faschisten“-Etikett ist schwierig, weil inflationär gebraucht, sogar von einem Präsidenten eines eurasischen Möchtegern-Welterettungs-Projektes. Nur wenige Menschen bezeichnen sich selbst im vollen Brustton der Überzeugung als „Nazi“ oder „Faschist“. Schon einige mehr entsprechen ihren Überzeugungen nach zwar der Definition, mögen aber das Label nicht. Eine ganze Menge Politiker und Polit-Konsumenten sowie politisch Desinteressierte tragen einfach nur aus Bequemlichkeit eine der beiden zuerst beschriebenen Brillen und verhalten sich natürlich dem entsprechend: Sie reden und schreiben darüber, was sie durch die Brille sehen. Das wiederum wird von Träger*innen der „Ich sehe Nazis und Faschisten“-Brille (mit dieser Brille auf der Nase wird gegendert, mit den anderen beiden konsequent nicht) als Nazi- und (Proto)-Faschistensprech gelesen. 

Woke Girl

Die Lösung ist sehr einfach, aber nicht ganz leicht: Setz die Brille ab, blicke ohne Vorurteile auf dein Gegenüber und fühle mit ihm mit!

Kommentar schreiben

Kommentare: 0